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Die Künstler von
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MICHAEL BEUTLER
Michael Beutler

Gelbes Loch, 2020

„Gelbes Loch“ ist eine Installation, die sich aktiv Materialen der Baustelle zuwendet. Bei der gelben, strukturierten Oberfläche der Installation handelt es sich um Pecafil, ein Bauelement, das als Schalung für Betonkonstruktionen verwendet wird. Es besteht aus einer rasterförmigen Stahlmatte und einer markanten gelben Folie. Hierdurch ist es besonders einfach und vielseitig einsetzbar und kann dabei immer wieder neu verwendet werden.

Beutlers Skulpturen verweisen auf die ökonomische Dimension von Raum und Raumnutzung. So entstehen Werke, die sowohl fertig als auch prozesshaft und unabgeschlossen wirken. Genau diesen Moment des Unfertigen verhandelt Beutler und stellt dabei auch die Frage nach der Gegenwart und Zukunft von Räumen und Gebäuden. Wie wollen wir wirklich leben? Wie vereinen wir gesamtgesellschaftliche und individuelle Wünsche?

Bei der Skulpturen-Triennale 2023 erscheint „Gelbes Loch“ am Rheinufer, umrahmt von rheinländischer Idylle und Architektur, und erschafft – im Kontrast – einen Raum für ökonomische und soziale Diskurse rund um das Wohnen.

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Fritz Bornstück
Fritz Bornstück

Garnitur, 2022/2023

Ein scheinbar verwahrloster Tisch mit weißen, teils mit farbiger Glasur verschmierten Fliesen und den dazugehörigen Bänken, bilden das im Werktitel als „Garnitur“ bezeichnete Ensemble. Wer an dem Tisch gesessen hat und was sich dort zugetragen hat, lässt sich nur vage anhand der Hinterlassenschaften vermuten.

Eingebettet in die Architektur der Basilika St. Martin, ist eine Korrelation zwischen Bornstücks Werk und der christlichen Motivik des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci unübersehbar. Da Vincis Gemälde beruht auf dem Johannesevangelium und bildet Christus, sitzend inmitten einer langen Tafel mit den zwölf Aposteln ab. In diesem Rahmen verkündet Jesus, was in den kommenden Stunden und Tagen passieren wird und sieht den an ihm begangenen Verrat voraus. Sowohl die Geselligkeit unter den Aposteln als auch die irdische Präsenz Jesu schweben in einem Zustand der Zerbrechlichkeit. Somit lässt sich in Leonardo da Vincis Wandgemälde die Fragilität, die ebenfalls den Keramikobjekte Bornstücks inhärent ist, aufzeigen.

Die Zerbrechlichkeit der Gegenstände im Werk von Bornstück ist ersichtlich. Kann und soll sie aber auf den Menschen übertragen werden? Zeigt der Künstler gerade anhand der Immanenz der Objekte die Fragilität der Geselligkeit auf, die in dem Moment aufhört, wo sie Vergangenheit wird? Im Rückbezug auf die Corona-Pandemie, in der sich dieser Habitus deutlich gewandelt hat, stellt sich die Frage, ob der Gemeinschaft ihre einstigen Rituale abhandengekommen sind, oder ob sie neue Modi gefunden haben, sich zu äußern. Und wenn sie in der momentanen Vergangenheit liegt, was hinterbleibt von den Objekten, wenn sie dem Laufe der Zeit verfallen sind? Inwiefern gestalten die Überreste unserer Artefakte das, was nach der Beendigung ihrer Existenz kommt?

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Anina Brisolla
Anina Brisolla

control (abundance), 2019/2023

Bei Anina Brisollas Skulptur „control (abundance)“ handelt es sich augenscheinlich um einen massiven Baumstumpf, der mit mehreren goldenen Wasserhähnen durchbohrt ist. Allerdings entpuppt sich dieser als weder aus Holz bestehend noch etwas enthaltend, das aus den Wasserhähnen fließen könnte. Er ist hohl und besteht aus Kunststoff.

Eingebettet in den Kontext ihrer Solo-Ausstellung walled garden von 2019, erschließt sich die Intention dieser Skulptur, die sich nicht auf die Thematik der aktuellen Wasserknappheit beschränkt. Walled garden reflektiert über die Illusionen und Konsequenzen der Digitalisierung sowie das Machtgefüge von großen Tech-Unternehmen – auch Big Five genannt – wie Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta Platforms (ehem. Facebook) und Microsoft. Die Künstlerin kontrastiert die Utopie der Natur und des Gartens mit der Dystopie von Mauern, Zäunen und Grenzen und zeigt damit auf, dass die Menschheit sich in einer Paradiessimulation befindet.

Die Skulptur „control (abundance)“ ist Teil dieser Dystopie. Milliarden von Menschen nutzen digitale Plattformen mehrmals täglich. Es bildet sich eine Überflutung, ein Abyss an Datenmengen. Der Rohstoff unserer Ökonomien. Dieser wird jedoch von Wasserhähnen kontrolliert und portioniert. Das Wasser – eigentlicher Rohstoff unserer Existenz – wird durch etwas Künstliches, digitales ersetzt. Daher der Baumstamm, der nicht aus Holz, etwas organischem, besteht, sondern aus Kunststoff, etwas Leblosem. Durch dessen Fällung verliert er umso mehr seine Vitalität. Sägen wir durch unsere Abhängigkeit von der digitalen Welt und den Konsum ihrer realitätsverzerrenden Inhalte an unserem eigenen Ast?

Freundliche Leihgabe Galerie EIGENHEIM Weimar / Berlin

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Bogomir Ecker
Bogomir Ecker

Baum #133, 2003

Der Künstler Bogomir Ecker nutzt öffentliche Räume als Schauplätze für seine Eingriffe und bringt dabei stets vorhandene Dinge wie Häuser und Bäume mit dem alltäglichen Leben der Passant*innen in Verbindung. Die Objekte werden in unterschiedliche Kontexte eingebettet, passen sich diesen an – oder auch nicht – und laden dazu ein, eine Wechselbeziehung zwischen Subjekt-Objekt einzugehen. In diesem Fall schmücken zwanzig rot lackierte Objekte einen Baum am Bingener Rheinufer.

Eine Intervention im öffentlichen Raum, die sich zwischen der Wahrnehmung, dem Alltäglichen und der Illusion bewegt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Vogelhäuser an Bäumen hängen. Jedoch fällt in diesem Fall die Vielzahl dieser sowie deren Farbe auf. Die Objekte werden im ersten Augenblick, mittels ihres Kontextes – dem Baum – und einer standardisierten Wahrnehmung, als Nistkästen wahrgenommen. Jedoch treten die Skulpturen durch Abweichungen in Erscheinung und lösen sich von ihrem gängigen Abbild. Verkörpern diese Skulpturen die Funktionalität, die ihnen zugeschrieben wird oder sind sie nicht als Nistkästen für Vögel gedacht worden?

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Christian Falsnaes
Christian Falsnaes

Front, 2014/2023

Die Skulptur ist das Ergebnis der Performance „Front“, die Christian Falsnaes am 6.Mai 2023 zur Eröffnung der Triennale durchgeführt hat.

Die Performance kann als Drama in drei Akten verstanden werden. Die Installation, die als Bühne für die Performance fungiert, setzt sich aus zwei Holzgestellen zusammen. Das eine, mit weißen OSB-Platten überdeckt, das andere als leeres Gestell.

Im ersten Akt, der Schöpfung, wird das Publikum der Performance dazu aufgefordert – angeleitet von den Anweisungen des Künstlers – die blanken Panels zu bemalen. Dazu werden meist Spraydosen verwendet, die auf Christian Falsnaes vorangegangene Tätigkeit als Graffiti-Künstler verweisen. Auf die nun besprühten Platten folgt der Moment der Dekonstruktion bzw. der Zerstörung. Das Publikum – nun Teil der Performance – wird dazu aufgefordert, mit Sägen und Hämmern das zu zerstören, was sie selbst zuvor kreiert haben. Das Kunstwerk wird abgerissen und zerstückelt. Daran anschließend eröffnet sich die Reparatur, der Schlussakt der Performance. Die Stücke der Panels und des Holzgestells werden von den Akteur*innen aufgehoben und im kahlen, unberührten, zweiten Holzgestell neu arrangiert und befestigt. Es entsteht eine neue Skulptur anders und doch ähnlich der Ursprungsinstallation. Von der Arbeit „Front“ bleibt nicht nur die Performance, sondern dessen Video-Aufnahme sowie die dabei geschaffene Skulptur.

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Stella Hamberg
Stella Hamberg

Das ist das, 2015

Ein weit aufgerissenes Gebiss eines großen Raubfisches. Lebhaft, fast als ob es die Betrachter*innen verschlingen könnte. Was von Weitem als ganzer Körper eines Haifisches erahnt werden kann, offenbart sich durch die Veränderung der eigenen Position als Illusion. Der Körper ist inexistent, die Skulptur besteht allein aus dem Maul des Raubtieres. Präsentiert auf einem Sockel, erschließen sich Details der Skulptur durch das Herumgehen und die Annäherung an den bedrohlich erscheinenden Hai. Aus einem frontalen Betrachtungswinkel steht man der Zahnreihe des Tieres unmittelbar gegenüber und nimmt die Position der Beute ein. Wechselt man den Blickwinkel, entkräftet sich der vorherige Zustand durch kontinuierliche Interaktion mit der Skulptur. Somit bleibt die Beziehung zwischen Beobachtenden und Beobachteten immer in Bewegung.

Die matte, dunkle Schwarzbrand-Patina der Skulptur erinnert an die Farbe von Erdöl. Ein Rohstoff, der von der Menschheit seit mehreren Jahrzehnten missbraucht wird, die Meere verschmutzt und somit auch dessen Ökosystem mitsamt seinen Bewohnern gefährdet. Der Mensch ist so zum Tyrann seines eigenen Ökosystems geworden. Die Urangst der Menschheit vor dem Hai wird in Filmen wie Jaws und allgemein in der Popkultur vermittelt, jedoch zeigt sich angesichts der Klima krise auch der Mensch als Bedrohung des Hais. In der Begegnung mit Hambergs Skulptur stellt sich die Frage: wer ist eigentlich bedrohlicher?

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Emma Jääskeläinen
Emma Jääskeläinen

Cloud Number Nine, 2021

Stein ist für die Bildhauerin Emma Jääskeläinen nicht nur Material, sondern viel mehr Kollaborateur. Denn jeder Stein bringt seine eigenen Qualitäten, Eigenarten und Probleme mit sich. Es entstehen Skulpturen, die zwar schwer und massiv sind, jedoch nie monumental oder überwältigend wirken. Das liegt unter anderem an den Oberflächen, die Jääskeläinen so präzise und sorgsam bearbeitet, dass sie lebendig wie Haut oder Fell erscheinen.

So auch die ausgestreckte Hand, welche mit Bedeutung aufgeladen ist. Sie steht für Tatkraft und Handlung, Schaffenskraft und Veränderung. Doch der feste Hermelin Marmor von „Cloud Number Nine“ wirkt weich und die Form wie eine Wolke, die einem Cartoon entnommen wurde. Man will sich in die zarte, bauschige Form reinsetzen, würden nicht vier filigrane, metallene Saiten zwischen dem runden Daumen und Ringfinger der Skulptur gespannt sein. Es stellt sich die Frage, was die vier Saiten dort zu suchen haben.

Musik spielt in Jääskeläinens künstlerischer Praxis eine besondere Rolle. Wenn sie im Werktitel Bryan Adams 1998 veröffentlichten, gleichnamigen Song zitiert, ruft sie mit der skulpturalen Hand eine Wolke der Zuneigung, Liebe und Fürsorge hervor. Dass die mit Wolke 7 zu übersetzende Skulptur selbst zum Musik spielen einlädt, hat wiederum mit ihrer Familiengeschichte zu tun. Denn Jääskeläinens Großvater war selbst ein bekannter Instrumentenbauer des finnischen Saiteninstruments Kantele.

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Wilhelm Klotzek
Wilhelm Klotzek

An der Ecke, 2017

Geboren und aufgewachsen im Berlin der Wendezeit, hat Klotzek die Auseinandersetzung mit der post-sozialistischen Wirklichkeit zu seiner künstlerischen Mission gemacht. Sein persönlicher Lebensweg, der mit dem Übergang von einem Gesellschaftssystem in ein Anderes gezeichnet ist, dient ihm als Ausgangspunkt seiner künstlerischen Praxis.

Die lebensgroße, aus Stahl gefertigte Zigarette lehnt lässig an einem Rohrpfosten. Frei nach dem Motto „Nikotin tötet langsam. Wir haben Zeit“ raucht sie in aller Seelenruhe eine Miniaturversion ihrer selbst. An dem Pfosten sind zwei Straßenschilder angebracht. Adolf-Endler-Gasse und Gundula-Schulze-Eldowy-Allee. Kurz im Internet nachgeschaut, stellt man fest, dass es beide Straßen in Berlin nicht gibt. Wichtige Intellektuelle, Politiker*innen und Künstler*innen prägen die Straßenschilder Berlins. Doch wie viele Schilder erinnern an ostdeutsche Persönlichkeiten? Dabei hätte es der Dichter und Schriftsteller Adolf Endler wirklich verdient: Mit seinem erfolgreichen Buch Tarzan am Prenzlauer Berg wurde er der breiteren Öffentlichkeit bekannt und gab Einblick in das Ost-Berliner Leben der Jahre vor dem Mauerfall.

Was Endler mit Worten verarbeitete, hielt Gundula Schulze Eldowy als eine der bekanntesten und aufsehenerregendsten Fotografinnen Ostdeutschlands in ihren Fotografien fest. In Bildzyklen, wie Berlin in einer Hundenacht entwarf sie ein Porträt Ostberlins, das zum öffentlichen Bild der DDR kaum gegensätzlicher sein könnte. Klotzek setzt diesen zwei, im Stadtraum unsichtbaren Biografien mit „An der Ecke“ ein absurdes Denkmal, das dazu einlädt, mal selbst eine zu rauchen und über die deutsch-deutsche Vergangenheit nachzudenken.

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Käthe Kollwitz

Käthe Kollwitz

Mutter mit totem Sohn, 1937/38

Die Skulpturen-Triennale Bingen ist ein sehr interessanter Anlass zur Ausstellung der Plastik von Käthe Kollwitz „Mutter mit totem Sohn“. Gleichwohl ist er nicht der einzige, denn vor nunmehr 30 Jahren wählte der damalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl die Figurengruppe für die Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschlands für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft aus.

Bereits 1937/1938 beobachtete die Künstlerin kritisch, in welche Richtung die Nationalsozialisten strebten. Ihre ablehnende Haltung gegen jede Form von Gewalt und ihre pazifistische Lebenseinstellung flossen ein in ihre Idee einer nachsinnenden Mutter, die ihren geliebten Sohn als Kriegsopfer verliert. Am 23. Todestag ihres Sohnes Peter schrieb sie in ihr Tagebuch: „Ich arbeite an der kleinen Plastik, die hervorgegangen ist aus dem plastischen Versuch, den alten Menschen zu machen. Es ist nun so etwas wie eine Pietà geworden. Die Mutter sitzt und hat den toten Sohn zwischen ihren Knien im Schoß liegen. Es ist nicht mehr Schmerz, sondern Nachsinnen.“

Das fertige Werk widmete sie ihrem Sohn, der 1914 in den Anfangstagen des Ersten Weltkriegs gefallen war. Eine Darstellung im christlichen Sinn meinte die Zeit ihres Lebens gläubige Protestantin mit der Bezeichnung Pietà jedoch nicht, auch wenn sich ihre Tagebuchnotiz wie eine Vermischung christlicher und emotionaler Deutungsinhalte liest.

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Vera Kox
Vera Kox

…into the peripheral, reflecting, 2022

In ihren Arbeiten untersucht Vera Kox das Wesen der Skulptur unter Einbezug der unmittelbaren Umgebung. So verbindet bei „...into the peripheral, reflecting“ ein signalgelber Stahlträger die Uferbefestigungen des Rheins. Darauf verweilt eine amorphe Skulptur und kontrastiert die starre Form des Bauteils. Was organisch und weich erscheint, stellt sich als fragil und fest heraus. Es handelt sich um ein Gebilde aus keramischen Reliefs, denen eine obskure Wesenhaftigkeit innewohnt.

Kox reflektiert in dieser Arbeit das postindustrielle Vermächtnis ihrer Heimatstadt, dem luxemburgischen Esch an der Alzette. Im vermeintlichen Gegensatz zwischen Kunstwerk und Landschaft entwirft sie eine symbiotische Beziehung zwischen Kultur und Natur, in der das Wasser zum integralen Bestandteil wird. So schafft Kox eine Skulptur, die sich zwischen postindustriellem Relikt, futuristischem Entwurf und menschlichem Gegenwartszeugnis bewegt.

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Rainer Mang
Rainer Mang

Auf der Suche nach dem Klee der 90er Jahre, 1987

Ursprünglich ausgebildet zum Maurer, arbeitete Rainer Mang früh im Stahlbau und auf Baustellen. Hier fand er seine Liebe für raue, gefundene Werkstoffe: Scherben, Steine, Kohle und Schotter, die er später in seinen Skulpturen verwertete.

Wie in den meisten Arbeiten, besteht die Oberfläche der Skulptur aus einem Mosaik von Bruchstücken. Die verschieden großen Scherben bilden die grobe und massive Haut der Figur. Immer wieder ragen scharfe Glasscherben aus dem Beton hervor. Dabei wirkt die Figur selbst harmlos und nahezu niedlich. Eine runde Kugel stellt den Kopf dar, kurze Beine mit klotzigen Füßen gehen in einen formlosen Torso und kleine gebeugte Arme über. Die Figur bückt sich, legt den Kopf auf den Boden der Kiste. Wie ein Kind, das neugierig etwas auf dem Boden inspiziert oder sich fragt, ob man die Erde eigentlich hören kann. Und vielleicht kann die Figur durch die Spalten der Holzkiste etwas erkennen?

Mang gibt mit dem Titel „Auf der Suche nach dem Klee der 90er Jahre“ einen wagen Hinweis. In Europa wird Klee als Symbol der Hoffnung und des Glücks gewertet. Das vierblättrige Kleeblatt steht in der christlichen Symbolik für das Gute und als Abwehr gegen böse Kräfte. Wer ein vierblättriges Kleeblatt findet, dem wird etwas Gutes geschehen. Doch wo ist dieser Klee, wo ist das Gute? Etwa in der hölzernen Kiste?

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Günther Meyer
Günther Meyer

Ich bin Cowboy weil ich‘s bin, 2022/2023

Der Ausstellungsmacher und Künstler Uwe-Karsten Günther und der für Bücher wie Als wir träumten und Nacht im Bioskop bekannte Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer haben sich vor mehr als 10 Jahren entschlossen, ihre Nachnamen zu einem künstlerischen Alter Ego zu verschmelzen, um von nun an auf humoristische Art und Weise Popkultur, Mythen und Ostdeutschland neu zueinander zu denken. In ihrer lockeren, dadaistischen Praxis eignen sie sich spezifische Phänomene und Artefakte an und führen diese durch Übertreibung, Verniedlichung und Kontextualisierung ins Absurde.

Das Duo erwarb eines Tages einen eigenartigen, handgemachten Nussknacker aus dem Erzgebirge und stellte ihn als Readymade in den Galerieraum. Einige Jahre später wendete sich Günther Meyer dem Objekt erneut zu, scannte dessen Form und machte aus der kleinen Holzfigur eine überdimensionale Cowboyskulptur. Zwischen Karl May, der Hamburger Country Band Truck Stop, Schnitzkunst aus dem Erzgebirge und Marcel Duchamp, entstand so „Ich bin Cowboy weil ich’s bin“. Und jetzt steht sie da, gleich einem ad absurdum geführten Denkmal der Selbstbehauptung, denn so Truck Stop: „Cowboys sind aus eigenem Holz, die nicht viel reden/ganz leiser Stolz, ja wer sie kennt, der kann sie verstehen“. Günther Meyer plädert in diesem Sinne für ein neues Selbstbewusstsein, in dem die eigene Existenz und die eigenen Positionen genuin vertreten werden. Was und wer man sein will, das ist man einfach. So wurde Karl May zu Old Shatterhand und eine sächsischer Nussknacker zu einem Cowboy.

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Christiane Möbus
Christiane Möbus

rette sich wer kann (Neon), 2020

Bunte Neonschriften, die Innenräume von Bars, Cafés und Wohnungen schmücken, sind meist Trägerinnen von motivierenden Sprüchen wie good vibes only oder believe in your dreams. Sie sind dafür gedacht die Betrachter*innen zu ermutigen, ein "besseres" Leben zu führen, ihnen gute Laune zu bereiten. Diese Funktion setzt Christiane Möbus ab. In ihrer Leuchtschrift „rette sich wer kann“ steht nicht nur der romantisierende Schriftzug in Kontrast zu der kalt-blauen Farbe der Neonröhren. In ihr verbirgt sich ein beängstigender und egoistischer Grundgedanke, der dazu aufruft, das eigene Leben zu schützen. Er fördert eine darwinistische und egozentrische Überlebenshaltung gegenüber Mitmenschen, die keine Rücksicht auf den Nächsten bereithält.

Rette sich wer kann ist auch ein Motto, das im Bereich der maritimen Sprache, angesichts von Notfällen wie einem Schiffbruch, Verwendung findet. Jedoch herrscht in diesen Fällen keine Anarchie, sondern festgesetzte Hierarchien, die bestimmen, in welcher Reihenfolge die Passagiere in Sicherheit gebracht werden sollen. Somit stellt die Künstlerin Christiane Möbus einen Bezug zwischen Schriftzug und dem Meeresbereich her.

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Simon Mullan
Simon Mullan

Popularis Tresen, 2023

Was passiert mit einem Kunstwerk, wenn es in den Kontext eines öffentlichen Raumes verlegt wird, insbesondere wenn es das Erscheinungsbild eines Gebrauchsgegenstandes trägt? Was für eine Wechselwirkung entsteht zwischen dem Werk und dessen unmittelbare Umgebung? Simon Mullans Skulptur „Popularis Tresen“ fand zuvor seinen Platz auf einer Grünfläche in der Nähe vom Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. Während seines viermonatigen Aufenthaltes im Scheunenviertel verschmolz die Skulptur mit den Lebensgewohnheiten des Kiezes. Aufgrund der zahlreichen Getränkeläden etablierte sich der Ort zum Treffpunkt, um ein Bier zu trinken oder sein Mittagessen zu verzehren.

Popularis (aus dem lat. des Volkes) bezeichnet eine wichtige Komponente des Kunstwerkes. Der Tresen wurde vornehmlich für die Öffentlichkeit und dessen Verwendung konzipiert. Er soll dazu dienen, die Hürden, die im Umgang mit Kunstwerken und dessen Verständnis bestehen, niederzureißen und einen Raum der Begegnung zwischen Kunst und Gesellschaft zu eröffnen.

Simon Mullan

Alles wird Gut, 2023

„Alles wird gut", eine Phrase, die im deutschsprachigen Raum eine ermutigende Redewendung verkörpert, wurde unter anderem in Italien zum Slogan für die COVID-19-Pandemie. Unzählige Male online geteilt und an öffentlichen Räumen aufgehangen, „Andrà tutto bene” war die Botschaft – oft von Kindern mit Regenbogen und Herzen gezeichnet – die während des ersten Aufschwungs der Pandemie in Italien zwischen unzähligen Mitbürger*innen geteilt wurde und die Balkons, Kirchen, Bushaltestellen, Schaufenster und Parks des Landes belebte.

Simon Mullans Flagge ziert ebenfalls seit der Wiedereröffnung im April 2020 den Eingang der Berliner Galerie Dittrich & Schlechtriem und soll den Passant*innen und Besucher*innen die vereinende Botschaft übermitteln: Wir sind alle im selben Boot. Im Gegensatz zu Italien, wo diese Fahnen den Anfang von einer noch unbekannten Lebenssituation symbolisierten, wurde Simon Mullans Flagge nach der ersten Welle der Pandemie aufgehängt und stellt einen Neuanfang dar, der mit der Lockerung der Maßnahmen und der daraus resultierenden Eröffnung der Galerie in Verbindung steht.

„Alles wird gut” wird nicht nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingesetzt, sondern ruft in verschiedenen Kulturräumen auch divergierende Assoziationen hervor. Dennoch ist die Intention für dessen Gebrauch dieselbe: Hoffnung geben.

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Finja Sander
Finja Sander

„Für Morgen“ – performative Reihung, 2023

Die performative Reihung „Für Morgen“ ist schwer zu greifen. Einmal aufgebaut steht ein Gerüst aus herkömmlichen Metallstangen und neonorangenen Bändern ganz für sich am Rheinufer. Schließlich wird das Werk am 10. und 11. Juni 2023 durch die Performance „Für Morgen“ von Finja Sander aktiviert. In den Aufführungen hängt die Künstlerin an diesem Wochenende horizontal in dem Gestell – reglos und mit geschlossenen Augen.

Form und Idee entleiht Finja Sander der Bronzeskulptur Der Schwebende, die Ernst Barlach 1927 für den Güstrower Dom anfertigte. Dort war die figurative Skulptur mit geschlossenen Augen und verschränkten Armen horizontal schwebend in einer Seitenkapelle ausgestellt.

Statt auf Heldentaten der auf Sockeln stehenden Soldaten einzugehen, fertigte Barlach ein Denkbild der Trauer und Schuld. Jene pazifistische Botschaft war den Nationalsozialisten 1937 ein Anlass, das Werk als entartet zu brandmarken und einzuschmelzen.

In ihrem Interesse an Barlachs Denkmal nimmt Sander die schwebende Haltung der Skulptur wörtlich und nähert sich ihr durch den eigenen Körper an. Damit wird dieser zum Schauplatz der Umwandlung von Skulptur in performativen Akt. In der Bestrebung, selbst zu einem Objekt zu werden, die eigene Körperlichkeit ein Stück weit aufzugeben und sich dem entstehenden Bild unterzuordnen, knüpft Sander an viele ihrer früheren Performances an.

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HA Schult
HA Schult

Trash People, 1996

Cola-Dosen, Elektroschrott und anderer Plastikmüll fügen sich in den „Trash People“ zu einem Ganzen zusammen, sodass lebensgroße menschliche Figuren entstehen. Seit 1996 produziert der Künstler HA Schult die „Trash People“ und verwertet hierbei gefundenen Abfall wieder. Seit ihrer Entstehung sind sie auf der Reise um den Globus. Als „Geflüchtete der Konsumgesellschaft“ wandern sie um die Welt und verweilen mal auf der Chinesischen Mauer, mal in der Arktis, Rom, Tel Aviv oder Gorleben. Orte von globaler oder lokaler Relevanz. Die drei in Bingen ausgestellten Skulpturen gehören jenen Legionen von Müllmenschen an und vermitteln als Botschafter die so gegenwärtigen Fragen von Konsum, Klimakrise und Wiederverwertung.

HA Schult lässt sich frühen Strömungen der Umweltbewegungen zuordnen, die sich ab den 1960er Jahren kritisch mit der entstehenden Konsumgesellschaft und den immer umweltschädlicheren Produktionsbedingungen auseinandersetzen. Während auf gesamtgesellschaftlicher Ebene das zunehmende Aufkommen von Müll als unbedeutender Nebeneffekt der aufstrebenden Wirtschaft heruntergespielt wurde, wendet sich HA Schult diesem Phänomen zu und macht es zum materiellen und inhaltlichen Zentrum seines Werkes. In diesem Sinne bringt auch HA Schult in seinen Aktionen Unmengen an Abfall zurück in die Städte, müllt regelrecht die Straßen zu und führt so das Ausgeblendete zurück ins kollektive Bewusstsein.

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Lothar Seruset
Lothar Seruset

Fliegen, 2015/23

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte die Entwicklung von flugfähigen Gefährten ihren Aufschwung. Otto Lilienthal und die Brüder Wright erprobten ihre Flugzeugprototypen, die im Ersten Weltkrieg von den Armeen Europas adaptiert wurden, bis schließlich die ersten Passagierflugzeuge Mitte der 20er Jahre in Betrieb gingen. Zwischen militärischer und kommerzieller Nutzung verwirklicht sich so immer weiter der Traum des Fliegens und ist heute in Zeiten von Low-Budget Airlines nahezu jedem Menschen zugänglich.

Auch bei der Arbeit „Fliegen“ ist das Flugzeug ein zentrales Element. Eine Figur steht nur mit einer Hose bekleidet auf einer Kugel und balanciert ein Passagierflugzeug auf seinem Kopf. Die Haltung des Menschen wirkt instabil, als könne er jeden Moment die Balance verlieren. Mit angespannten Gesichtszügen und ausgestreckten Armen versucht er den Kollaps der Konstruktion, deren Zentrum er selbst ist, zu vermeiden. In der Tat hängt alles von der Figur ab: eine falsche Bewegung und die Kugel rollt los. Das Flugzeug fällt in diesem Szenario ebenfalls vom Kopf und der Idealzustand der Skulptur bricht in sich zusammen. Glücklicherweise handelt es sich um ein massives, aus Bronze geschaffenes Konstrukt, dessen Zerfall nicht zu befürchten ist.

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Dagmar Vogt
Dagmar Vogt

„Upside down – die Welt mit anderen Augen sehen“, 2018

Die vorliegende Skulptur „Upside down – die Welt mit anderen Augen sehen“ scheint im Moment ihrer Bewegung verewigt zu sein. Die Arme sind zu einem Dreieck angewinkelt, stützen den dazwischenliegenden Kopf, während sich der Oberkörper, die Beine und Füße gerade in Richtung Himmel ausstrecken. Sie nimmt die vertikale Yoga Position Shirshasana ein. Diese soll dazu verhelfen, die Arme und Schultern zu stärken, das Blut zum Herzen fließen zu lassen und somit die Venengesundheit zu unterstützen. Weiterhin soll diese Haltung kreatives Denken, Mut, Konzentration, Gleichgewicht und Koordination anspornen.

Möglicherweise eine geistige und körperliche Stärkung zur Neuauslegung der Betrachtungsweisen, die in dem Werktitel angedeutet wird. Die Welt mit anderen Augen sehen durch die Einnahme der vertikalen Yoga Position. Eine auf den Kopf Stellung der Wirklichkeit, die somit anders wahrgenommen werden kann. Doch um welche Wirklichkeit handelt es sich?

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Mia Florentine Weiss
Mia Florentine Weiss

LOVE HATE, 2019

Was ist der effektivste Weg, Kunst bzw. gesellschaftliche Veränderung zu propagieren? In einer Welt, die zunehmende kartografische und politische Grenzen aufzeigt und die Interaktion zwischen den Ländern stärker eindämmt, erweist sich die Marktwirtschaft als effektivster sowie beständigster Kommunikationsweg. Mia Florentine Weiss instrumentalisiert die Mechanismen der Konsumgesellschaft, indem mittels der umfassenden Vervielfältigung des Kunstwerks – von der Künstlerin als Waffe bezeichnet – eine Umwälzung der aktuellen Weltlage initiiert werden kann. Somit wird der negative Begriff der Waffe durch eine Assoziation mit Kunst und der damit initiierten Veränderung zu etwas Positivem umgewandelt.

Dies ist auch die Quintessenz des Ambigrams „LOVE HATE“, das sich spiegelverkehrt auf der einen Seite als Love und auf der anderen Seite als Hate lesen lässt. Es entsteht eine Gegenüberstellung der Extremitäten menschlicher Gefühle. Die Skulptur wirbt für Engagement, Liebe und ermutigt die Bevölkerung, Veränderung selbst zu initiieren, indem siedie Möglichkeit aufzeigt, die Perspektive zu wechseln.

Die Skulptur tourte durch die USA und Europa, stellte eine Verbindung zwischen den Städten her, in denen sie gezeigt wurde. Anlässlich der Europawahlen im Jahr 2019 begann die #LoveEurope Tour. Die Skulptur wurde vor dem Brandenburger Tor platziert und mit Haftnotizen beklebt, und so Träger von Botschaften für Europa. In anderen Städten wurde die Skulptur mit der Flagge Europas umhüllt. Die in Bingen gezeigte Skulptur hingegen greift die Farben des Regenbogens auf und symbolisiert somit Frieden, Toleranz und Akzeptanz mannigfaltiger Lebensformen.

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