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Anina Brisolla

*1976 in Hamburg
Lebt und arbeitet in Berlin

control (abundance), 2019/2023

Kunststoff, Messing, Schmelzkleber
120 x 100 cm, Plakatwand 336 x 238 cm
Leihgabe der Künstlerin



Anina Brisolla, eine deutsche Künstlerin, die sich mit den Themenbereichen der Privatisierung, Machtdynamiken, Natur und Weltraum auseinandersetzt, ist besonders für ihre Videoarbeiten und dem Umgang mit Bildmaterialien bekannt. Sie unterstreicht in einem Interview jedoch, dass sie sich für eine breitgefächerte Arbeitsweise mit unterschiedlichen Materialien und Medien entschlossen hat, da sich zur Vermittlung eines bestimmten Konzepts manchmal eine Skulptur besser eignet als ein Bild. Hier stehen wir vor einer ihrer Skulpturen „control (abundance)“. Anina Brisolla
(Foto: David von Becker, Berlin)

Ein augenscheinlich massiver Baumstumpf ist mit mehreren goldenen Wasserhähnen durchbohrt. Allerdings entpuppt sich dieser als ein Baumstumpf, der weder aus Holz besteht noch etwas enthält, das aus den Wasserhähnen fließen könnte. Er ist hohl und besteht aus Kunststoff.

Eingebettet in den Kontext der Solo-Ausstellung walled garden, die 2019 im Projektraum Kanya & Kage gezeigt wurde, erschließt sich die Intention dieser Skulptur, die sich nicht auf die Thematik der aktuellen Wasserknappheit beschränkt. Walled garden reflektiert über die Illusionen und Konsequenzen der Digitalisierung sowie das Machtgefüge von großen Tech-Unternehmen – auch Big Five genannt – wie Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta Platforms (ehem. Facebook) und Microsoft. Die Künstlerin kontrastiert die Utopie der Natur und des Gartens mit der Dystopie von Mauern, Zäunen und Grenzen und zeigt damit auf, dass die Menschheit sich in einer Paradiessimulation befindet. In einer Realität, in der Komfort herrscht, erschaffen diese Unternehmen digitale Welten mit Werbeanzeigen, Gesundheitsfürsorge, Supermärkten, Einkaufszentren, Musik und Filmen, die wir gar nicht zu verlassen brauchen. Die Zäune dieses Paradieses sind nicht sichtbar, solange sie nicht angezweifelt werden. In Wirklichkeit befinden wir uns in einer Welt, in der jede digitale Bewegung verfolgt, registriert und ausgeschöpft wird. Wir sind die Tiere, die Daten, die sich in den umzäunten Gärten der Big Five bewegen. Doch die Privatsphäre des Individuums ist nicht der alarmierendste Aspekt. Die Quasi-Monopol Eigenschaft dieser Unternehmen ermöglicht ihnen, den Wettbewerb zu unterdrücken, Steuern zu vermeiden, eine prägende Rolle in der globalen Politik zu spielen und die Demokratie zu untergraben.

Die Skulptur „control (abundance)“ ist Teil der Dystopie. Milliarden von Menschen nutzen digitale Plattformen mehrmals täglich. Esbildet sich eine Überflutung, ein Abyss an Datenmengen. Der Rohstoff unserer Ökonomien. Dieser wird jedoch von Wasserhähnen kontrolliert und portioniert.

Das Wasser – eigentlicher Rohstoff unserer Existenz – wird durch etwas künstliches, digitales ersetzt. Daher der Baumstamm, der nicht aus Holz, etwas organischem, besteht, sondern aus Kunststoff, etwas leblosem. Durch dessen Fällung verliert er umso mehr seine Vitalität.

Sägen wir durch unsere Abhängigkeit von der digitalen Welt und den Konsum ihrer realitätsverzerrenden Inhalte an unserem eigenen Ast? Können wir uns von diesem neuen Rohstoff aus Daten und Informationen ernähren oder sind wir dazu bestimmt, wie der Baumstamm durch eine künstliche Replikation ersetzt zu werden?

(E.T.)

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